Gemeinde-
und Bezirkssuche

Basel

Breisacherstrasse 35

4057 Basel

+41 79 290 87 50

Routenplaner

Gottesdienste
Sonntag 9.30 Uhr
Donnerstag 20.00 Uhr

Mission (Im)Possible: Ein fiktives Interview mit 5 Christinnen aus dem Neuen Testament

28.05.2021

Lydia, Damaris, Priszilla, Phoebe und Junia. Sie waren Begleiterinnen und Mitstreiterinnen des Apostel Paulus und sind heute bei uns, um uns aus ihrem Leben zu erzählen.
 
/api/media/514660/process?crop=fixwidth&filetype=jpg&height=1500&token=e8d456e204dd26089c6f6501e8a334eb%3A1743265206%3A9410443&width=1500
/api/media/514661/process?crop=fixwidth&filetype=jpg&height=1500&token=72f438f7f28bcbbbcda49a9286cd96a3%3A1743265206%3A1956277&width=1500
 

Lydia, erzähle uns doch etwas über deine Herkunft:
Sicher. Ursprünglich komme ich aus Thyatira, lebe aber bereits seit einiger Zeit in Philippi, einer Stadt in Griechenland. Philippi liegt an der Via Egnatia, einer der bedeutendsten Militär- und Handelsstrassen der antiken Welt. Dies macht die Stadt zu einem wichtigen Bezugspunkt für die gesamte Gegend.

Handel – ein wichtiges Stichwort. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Purpurhandel?
Purpur ist ein sehr wertvoller Stoff, welcher äusserst mühsam gewonnen wird. Da es zudem ein sehr teures Gut ist, braucht es weitreichende finanzielle Mittel, um damit zu handeln. Mir gehört ein Unternehmen, welches mit Purpur handelt und dementsprechend war ich in Philippi auch tätig.

Wie hört man als handelstätige Frau denn überhaupt vom Christentum?
Das war ohne Absicht, ich verweilte am Fluss und habe dort Paulus und Silas getroffen. Die Botschaft hat mich so überzeugt, dass ich mich – zusammen mit all meinen Angestellten – habe taufen lassen.

Damit bist du die erste Christin auf europäischen Boden!
Ja (Lydia nickt), gemäss den überlieferten Texten scheine ich tatsächlich die erste Person in Europa zu sein, welche zum christlichen Glauben übergetreten ist.

Lydia hat am Fluss vom Christentum erfahren. Damaris, wo hast du Petrus getroffen?
Am obersten athenischen Gerichtshof, auch Areopag genannt. Ursprünglich war das ein 115 m hoher Fels, mitten in Athen, auf welchem der oberste Rat getagt hat. Später haben diese Versammlungen in der Königshalle der Agora stattgefunden.

Was hat Paulus dort gemacht?
Paulus hat dort zur aristokratischen Gesellschaft gesprochen. Insbesondere hat er das Evangelium kontrastiert zu herrschenden philosophischen Schulen wie beispielsweise diejenige der Epikureer oder Stoiker. Diese Rede ist auch als Areopagrede in die Geschichte eingegangen und (Damaris blättert in der mitgebrachten Bibel und nickt, als sie die korrekte Stelle findet) … man kann dies nachlesen in der Apostelgeschichte 17, 16-34.

Spannend. Nun aber zu einer Frage, die noch fast mehr Zündstoff hat. Was hast du dort gemacht? Frauen hatten normalerweise keinen Zugang zum Areopag.
Stimmt. Ausser als Begleiterin eines angesehenen Atheners, als Hetäre. Die meisten von euch kennen den Begriff Kurtisane vielleicht besser. Wir sind sehr belesen und durch unsere Tätigkeit haben wir Zugang zu solchen Veranstaltungen – anders als die Ehefrauen, deren Bewegungsraum vor allem auf das häusliche Umfeld konzentriert ist.

Dazu steht aber nichts weiter in der Bibel?
Nein (Damaris schüttelt den Kopf), die Passage in der Apostelgeschichte ist äusserst kurz. Diese Frage beschäftigt Kleriker und Wissenschaftler seit Jahrhunderten und je nach Auslegungstradition wurden mir viele Rollen zugeschrieben. Die einen sehen mich auch als Aristokratin, sogar als Philosophin, die anderen verheiraten mich kommentarlos mit Dyonisius, da sie sich nicht vorstellen können, dass eine Frau eigenständig der Versammlung beigewohnt hat. Interessant ist und bleibt: Es scheint erklärungswürdig zu sein, dass eine Frau an dieser Szene teilgehabt hat.

Eine weitere Frau, welche ihren festen Platz in der Apostelgeschichte hat, bist du, Priska. In welchem Zusammenhang hast du mitgewirkt?
Mein Mann Aquila und ich sind von Rom nach Korinth gezogen und wir haben dort gemeinsam als Zeltmacher gearbeitet. Paulus hat nicht nur bei uns gelebt, sondern auch in unserem Betrieb gearbeitet. Unser Haus war Rückzugsort für die Gemeinde in Korinth. Später sind wir mit Paulus nach Ephesus gezogen und haben dort ebenfalls mitgeholfen, die Gemeinde aufzubauen.

Du und dein Mann, Aquila, ihr habt also auf verschiedenen Ebenen als Team zusammengearbeitet? Beruflich, im gemeinsamen Betrieb, daneben aber auch in Bekanntmachen der Lehre Jesu.
Ja, das war einfach so, wir haben als Team zusammengearbeitet und beide haben die gleichen Arbeiten ausgeführt (Priska zuckt mit den Achseln). Das hat in vielen Auslegungen der biblischen Texte immer wieder Kopfzerbrechen bereitet, besonders die Tatsache, dass Paulus meinen Namen an gewissen Stellen sogar zuerst erwähnt hat. Normalweise wird ein Frauenname immer an zweiter Stelle genannt. So zum Beispiel als die Szene geschildert wird, in welcher Aquila und ich Apollos treffen und ihn unterweisen in der Lehre Jesu (Priska lächelt spitzbübisch). Das scheint mich zur ersten Lehrerin des Neuen Testaments gemacht zu haben.

Schliesslich seid ihr ja wieder nach Rom gezogen, habt aber weiterhin Briefe von Paulus erhalten. In einem dieser Briefe ist speziell auch Phoebe erwähnt, welche heute auch unter uns ist. Phoebe, was ist deine Aufgabe?
Ich bin verantwortlich für die Gemeinde in Kenchreä, einer kleinen Hafenstadt in der Nähe von Korinth.

Ich habe gelesen, dass du betraut warst, Überträgerin eines sehr wichtigen Dokumentes zu sein, des Römerbriefes?
Das ist nicht klar, aber ja, gewisse Lesarten der Bibel schliessen darauf, dass ich den Römerbrief selber nach Rom gebracht habe. Das auch, weil Paulus ausdrücklich erwähnt, dass mir eine gute Aufnahme in der dortigen Gemeinde beschert werden soll. Da ich geschäftlich ja auch aktiv war, hätte diese Reise durchaus stattfinden können.

Wow – Phoebe, die Briefträgerin auf Geschäftsreise also?
(Phoebe grinst) Das würde es in etwa zusammenfassen, ja.

Inzwischen sind wir geografisch also in Rom angelangt und damit bei jemandem, der bis jetzt noch gar nicht zu Wort gekommen ist: Junia. Auch du kennst Petrus, nicht?
(Junia nickt und spricht) Ja. Ich habe mit Petrus und Andronikus einige Zeit im Gefängis verbracht. Das ist sichtbar in der Bibel, in welcher Petrus schreibt: “Grüsst Andronikus und Junia(s), die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie sind angesehene Apostel und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt”.

Halt mal. Du meinst, Petrus hat dich als Apostel angesprochen? Du bist aber eine Frau!
(Junia lacht) Darüber ist sich die Forschung aktuell etwas uneinig, es gibt sehr wenig Fakten. Der eine Forschungszweig beruht sich darauf, dass Junia ein Frauenname ist, der andere besagt, dass dies eine Kurzform des lateinischen Namen Junianus war. Mittlerweile füllt die Junia-Junias-Debatte ganze Bücher und niemand wird wahrscheinlich jemals die genaue Wahrheit kennen (Junia zwinkert mir zu).

 

Lydia, Damaris, Priszilla, Phoebe und Junia – herzlichen Dank für das Interview. Eure Namen sind erwähnt im Neuen Testament, eure Geschichten hingegen sind wahrscheinlich für immer verloren in den Gezeiten der Zeit. Wie es auch immer war, sicher ist: Ihr habt, zusammen mit vielen anderen, eure Zeit und euer Leben in den Dienst Gottes gestellt.

 

 

 

Quellen:

Backhaus, Knut (2015). Areopagrede. Bibelwissenschaft. https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/49930/

Branch, R.G. (2019): Female leadership as demonstrated by Phoebe: An interpretation of Paul’s words introducing Phoebe to the saints in Rome’, In die Skriflig 53(2), a2443. https://doi.org/10.4102/ids. v53i2.2443

Ebel, Eva (2012). Lydia. Bibelwissenschaft. https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/51972/

Hartmann, Andrea (2020): Junia – A Woman Lost in Translation: The Name IOYNIAN in Romans 16:7 and its History of Interpretation. De Gruyter. https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/opth-2020-0138/html

Müller, Christoph Gregor (2003): Priska und Aquila: der Weg eines Ehepaares und die paulinische Mission. In: Münchener theologische Zeitschrift (2003) Band: 54, Ausgabe: 3, Seiten: 195-210.

Pascuzzi, Maria (2018): Die erste Christin in Europa und Leiterin der ersten Hauskirche in Philippi. L’Osservatore Romano.

J.W. Childers (2006): A Reluctant Bride. Finding A Life For Damaris of Athens (Acts 17:43). In: Hamilton, Mark W., Olbricht, Thomas H., Peterson, Jeffrey. Renewing Tradition: Studies in Texts and Contexts in Honor of James W. Thompson. Eugene: Wipf and Stock Publishers, 2006.